Das Legitime und das Deviante –
eine kunstsoziologische Untersuchung

Zembylas, Tasos: Das Legitime und das Deviante - eine kunstsoziologische Untersuchung. In: SWS-Rundschau, 1/2004, S.65-86
Hier publiziert mit freundlicher Genehmigung der Redaktion der SWS-Rundschau.

 

Abstract:
Kunst ist eine offentliche Angelegenheit, weil ihr Sinn und Wert offentlich konstituiert werden. Konflikte, die Kunstwerke auslosen konnen, betreffen daher oft Fragestellungen, die fur die politische Gemeinschaft sehr wichtig sind. Den Sozialwissenschaften bietet die Beschaftigung mit Kunstkonflikten wertvolle Einblicke in jenes diskrete System von Normen, Institutionen und Praktiken, das Unterscheidungen zwischen dem Legitimen und dem Illegitimen, also dem Abweichenden-Devianten, schafft.
Der Beitrag untersucht zwei Typen von offentlichen Kunstkonflikten: (1) Konflikte, die zumindest vordergrundig die Interpretation und asthetische Wertschatzung von Kunstwerken betreffen, und (2) Konflikte, die ausdrucklich die rechtliche Legitimitat der Veroffentlichung eines Kunstwerkes in Frage stellen. Es folgen eine Erorterung der Ursachen fur die Entstehung von Kunstkonflikten sowie eine Untersuchung von normativen Problemen, die aus dem Umgang mit Wertkonflikten resultieren. Diese kritische Diskussion ist unumganglich, da die demokratische Qualitat einer Gesellschaft von der Art und Weise abhangt, wie sie zu ihrer eigenen konflikthaften Verfasstheit steht.

 

Schlusswort
Die Komplexität von Kunstkonflikten mit teils historischen und teils soziokulturellen Ursachen verbietet es hier, von »Patentlösungen« zu sprechen. Konflikte sind oft unangenehm, haben aber manchmal eine produktive Dimension, die wir erst dann erkennen, nachdem wir durch die Auseinandersetzung mit dem Konflikt zu neuen Einsichten gelangt sind. Das Aushalten von Differenzen ist daher eine wichtige zu entwickelnde soziale Kompetenz. Wenn es keinen Raum für Anerkennung und Toleranz gibt, wenn die Konfliktparteien nur an ihrem Sieg interessiert sind, dann landen sie schließlich bei einem Politikverständnis im Sinne Carl Schmitts: Für sie gibt es dann keine Gemeinsamkeit, sondern nur Freunde und Feinde. Einem solchen Zustand müssen die Konfliktparteien jedoch entgegentreten, wenn ihnen allen das friedliche Zusammenleben weiterhin wertvoll erscheint. Der Ausschluss der medialen Öffentlichkeit ist oft ratsam, weil sich sonst die AkteurInnen dem Zwang zur Selbstdarstellung unterwerfen. Zudem suggerieren Medienberichte manchmal Skandale und weisen einen moralisierenden Sprachstil auf, der vertrauensbildende Maßnahmen sabotiert. Das Gespräch und das Kennen Lernen des Anderen erfordern zwar einerseits viel Energie und Zeit, andererseits ermöglichen sie aber Lernprozesse und wichtige Wachstumschancen. Der Gewinn sind Erfahrungsreichtum und kulturelle Vielsprachigkeit sowie in der Folge ein besonnener Umgang mit Fremdheit und Anderssein. Wenn es den Beteiligten gelingt, mehr Verständnis für die jeweils Andersdenkenden zu erreichen, ist dies zugleich ein Gewinn an Menschlichkeit.

 

Autor: Prof. Dr. Tasos Zembylas

Institut für Kulturmanagement und Kulturwissenschaft
Universität für Musik und darstellende Kunst Wien

Karlsplatz 2/2/9
A-1010 Wien
Austria

Tel: +43-1-71155-3417
Fax: +43-1-71155-3499

E-Mail: zembylas@mdw.ac.at

 

Kurzbiografie Tasos Zembylas
Tasos Zembylas studierte Philosophie, Soziologie und Kunstgeschichte, 1995 war er Junior Fellow am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften, seit 1999 ist er Universitätsassistent am Institut für Kulturmanagement und Kulturwissenschaft an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und leitet den Universitätslehrgang "Kulturmanagement". Er ist Vorstandsmitglied der Forschungsgesellschaft für kulturökonomische und kulturpolitische Studien (FOKUS).

 

Buchpublikationen
Kunst oder Nichtkunst. Über die Bedingungen und Instanzen ästhetischer Beurteilung. Wien: WUV-Universitätsverlag, 1997.
Das Subjekt in der Malerei. Anatomie eines sterbenden Mythos. Innsbruck: StudienVerlag, 2000.
Kunst und Politik - Aspekte einer Problematik (Herausgeber), Innsbruck: StudienVerlag, 2000.

To the top of the page